Ein Wort zum Sonntag

Die Bodenständlinge

Die Sänger dieser Lande
sind des heimatlichen Speckes Sänger,
und sie vergleichen sich ein jeglicher
mit einem Baum;
ich hab es oft gehört und weiß es nun wohl,
dass ihre Wurzeln erdverbunden sind.
Wenn aber große Zeiten anbrechen,
die das dicke Ende in sich tragen,
dann feiern sie, um nicht vor’s Gewehr zu müssen,
die besoffenen Eintagswort
der jeweiligen Tyrannen.
Wenn’s aber vorbei ist,
dann singen sie wieder, als ob nichts gewesen wäre,
die Sau am Spieß
und Kraut und Rüben der Heimat.
Ihnen fehlt jedes Wort
für die Geschlagenen und Entrechteten,
von deren Blute Europas Henker trieften.
Ich allein singe heute vom Krieg.
Denn ungetilgter Schulden Samen ist wieder gereift,
und neue Drohung verdunkelt die Welt.
Als die Partisanen zum Kampfe aufbrachen
und die Freiheit ihre Morgensterne
im Dunkel der Wälder entzündete,
da rüsteten sich die Wüsten,
da griffen Wälder
mit grüner Kraft zu den Waffen.
Aber die Landsknechte und ihre Schreibknechte
sprachen nur von Banditen.
Von Ratten zerfressen
wurde des deutschen Schlachthauses
babylonischer Turm.
Aber höher von Jahr zu Jahr
hob die Menschheit ihr Haupt voll Blut und Wunden,
bestahlt von Siegeshoffnung.
Nun aber blickt neue Gefahr
medusenhäuptig auf West und Ost.
Wen müsste man nicht alles
zum Teufel jagen?
von den heimatlichen Sängern
werdet ihr’s nie erfahren

(Michael Guttenbrunner)

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7 Antworten zu “Ein Wort zum Sonntag”

  1. justrecently sagt :

    Unter der Kategorie „Kultur“, gleich oben, findet sich dieses Gedicht – aber nicht unter „Literatur“. Gibt es die Kategorie überhaupt noch?

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    • schna'sel sagt :

      Unter der Kategorie „Kultur“, gleich oben, findet sich dieses Gedicht – aber nicht unter „Literatur“. Gibt es die Kategorie überhaupt noch?

      Klar gibt es die Kategorie „Literatur“ noch. Ich → hatte heute morgen Zylvia was dazu geschrieben, mich aber noch nicht zu ihrem letzten Post geäußert, weil der mir erst so spät aufgefallen war.

      Um den „Ist-Zustand“ zu beschreiben:

      Die Kategorie „Literatur“ wird im Menü als Menüpunkt „Bücher“ angezeigt. Das passt natürlich nicht mehr zu einem Gedicht, das ich mit dieser Kategorie getagt hatte. Deshalb mein Post heute morgen. Nun antwortet Zylvia darauf mit einem Vorschlag, der in meinen Augen nicht wirklich logisch ist. Sie will die Kategorie „Literatur“ als Unterpunkt der „Kategorie“ → „Bücher“ führen, was in meinenen Augen die reale Beziehung dieser Kategorien auf den Kopf stellt.

      Das ist, was Sie vorschlägt:

      »Erste Ebene — BÜCHER
      Unterrubriken: — LITERATUR
      — BUCHBESPRECHUNGEN
      — POETRY/LYRIK/GEDICHTE«

      Ich halte das deshalb für unlogisch, weil Literatur die allgemeinere Kategorie ist. Weil alles was Buch ist automatisch auch Literatur ist, aber nicht alles was Literatur ist auch ein Buch. Gedichte zum Beispiel sind Literatur und deshalb der allgemeineren Kategorie „Literatur“ zuzuordnen, ebenso wie Bücher. Wobei es egal ist, in welchem Format diese vorliegen: Print, E-Books, oder wie der → Pali-Kanon, der in seiner ursprünglichen Version auf Palmblättern notiert war. Ein Buch kann man das immer noch nennen, -Literatur ist es in jedem Fall.

      So, wie es gestaltet ist, könnte man kann das Menü relativ einfach umstellen, weil nur der Menüpunkt „Bücher“ heißt, und man den einfach umbenennt, in was auch immer. („Literatur“ zum Beispiel) Aber da Zylvia das von sich aus geändert hatte, wollte ich ihr auch nicht ohne Absprache so einfach in ihr Handwerk pfuschen…

      Und natürlich will ich nicht mit dem Kopf durch die Wand, und wenn Ihr Euch entscheidet, dass die kreative Lösung in dem Fall einer logischen Ordnung der Kategorien vorzuziehen sei, dann müsste ich versuchen zu lernen, damit umzugehen…

      Vielleicht äußern Sie sich ja auch noch zu dem Thema.

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      • Auerbach sagt :

        Howdi, hey, wie ich ja schon sagte: „Literatur“ tut es weder für Deine Gedichte, noch für meine Buchbesprechungen. Da müssen wir uns was passenderes einfallen lassen.

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      • justrecently sagt :

        Ich würd‘ mal so sagen.

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        • Auerbach sagt :

          Ideensammlung: Struktur der Chose

          Hallo JR und Schna’sel,

          ich versuche meine Probleme mit dem Wort Literatur noch mal es etwas detaillierter zu erklären: Streng genommen ist es natürlich absolut korrekt, jegliche Schrifterzeugnisse sind am Ende des Tages immer irgendwie auch eine Form der »Literatur«. Wenn nicht heute oder in einem Jahr, dann zumindest igendwie in 100. Schon aufgrund der Tatsache, dass sie überlebt haben.

          Womit wir dann beim Thema wären: LITERATUR als Rubrik im alltäglichen Gebrauch ist immer, in jedem Fall auch ein wertendes Kriterium, also mit einem Qualitätsanspruch verbunden.
          Es schwingen Assoziationen von Ausgrenzung, Hybris, Kapital, Elitedenken und einem Begriff der Leuchtturmkultur mit, die im ganz normalen Alltag zu Monokultur und Verödung an der Basis führten. Sicherlich wäre mir das einigermaßen egal, würde ich nicht eben im Kulturbetrieb auch arbeiten, müsste ich den Kahlschlag nicht täglich mit verfolgen.

          Mit dem Begriff der »Literatur« tue ich mich genauso schwer wie mit Leuten, die Bücher raushauen nur um dann automatisch davon auszugehen sie hätten Literatur produziert.
          Ist eben nicht so, weil so funktioniert Kunst nicht. Literatur – echte, richtige Literatur – ist etwas ganz Feines, davon gibt es nur sehr sehr wenig. Selbstzweifel und Demut sind vollkommen unterschätzte, kreative Fähigkeiten.

          Kurz: Ich plädiere für „BUCH“. Oder, „LESEN“.

          Mit beiden könnte ich glücklich werden.

          Literatur hingegen, Literatur, diese schicky-micky aus dem Überfluß geborene, hohle Anspruchshaltung steht programmatisch diametral entgegengesetzt zu meinem Kulturverständnis.

          Vor allem ;Freunde, Hand aufs Herz: Wieviel all dessen, das sich heute mit dem Mäntelchen der »Literatur« schmückt, glaubt ihr werden wir in 100 Jahren noch kennen? 1%?
          Und das wäre schon optimistisch. 0,01% wohl eher.

          Deshalb ist Literatur als Kategorie für unsere linke Webseite nicht machbar. Klar, wären wir die Zeit, die FAZ oder die SZ dann würde ich damit auch kein Problem haben. Dann bekäme ich ende des Monats einen fetten Paycheck im Tausch für meine Überzeugungen; Geld um Stillzuhalten damit alles beim Alten bleibt. Aber nicht hier! Hier geht es um Revolution. Um Wandel. Auch der Kultur! Also, hier nix Literatur.

          Wie ihr seht bin ich da etwas leidenschaftlich.

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        • justrecently sagt :

          Wie ihr seht bin ich da etwas leidenschaftlich.

          Das wäre mir ja fast entgangen. 🙂

          Ich bin ja kein Linguist, aber mir scheint, auch bei dieser Begriffssuche – und nicht nur beim „Neger“ – färbt die böse Absicht bei jeder Wortreform wieder durch. In diesem Falle die Vorstellung, man könne mit einem weniger präzisen, aber auch weniger eitlen oder belasteten Begriff ein Manko oder ein Elend aus der Welt schaffen.

          Was Schna’sel schreibt, ist halt kein Buch – vielleicht wär’s schön, er schriebe eins. Überhaupt, ein Fortsetzungsroman wäre doch eigentlich ein Muss?

          Aber was er schreibt, ist Literatur. Was wir in den Himmel heben (wenn wir das denn tun), ist Literatur. Was wir verreißen und womit wir uns den Arsch abwischen, ist Literatur.

          Wenn wir den Begriff konsequent auf Hui & Pfui gleichermaßen anwenden, machen wir – glaube ich – mit „Literatur“ nicht viel falsch. Mit „Buch“ oder „Lesen“ hingegen schon.

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          • Auerbach sagt :

            »Wenn wir den Begriff konsequent auf Hui & Pfui gleichermaßen anwenden, machen wir – glaube ich – mit „Literatur“ nicht viel falsch. Mit „Buch“ oder „Lesen“ hingegen schon.«

            JR, aka Genschman, an Ihnen ist ein Diplomat verloren gegangen. :))
            Überzeugt bin ich zwar noch nicht, aber offensichtlich überstimmt.
            Dann bin ich jetzt gespannt auf die »Literatur«. In voller Erwartung, dass dieser Begriff vortrefflich ausfüllt wird.
            Da habt Ihr euch etwas vorgenommen.

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