Tag-Archiv | Amerika

Morning Roundup: „Ein treuer Schüler Gerhard Schröders“

 

airIndia

Air India: Neue Eigentümerstrukturen. Illustration: Sofortbild, 2016 (CC)

Weitreichende Reformen, Streben nach ökonomischer Hegemonie

Indien habe weitreichende Reformen in seinen Regelwerken für direkte Auslandsinvestitionen angekündigt, meldete am Montagabend (Weltzeit) All India Radio. Der britische „Guardian“ geht ins Detail: sowohl Luftwaffenproduktion als auch zivile Luftfahrt sollen zu hundert Prozent in ausländischem Eigentum sein dürfen, und auch in der Medikamentenherstellung und im Einzelhandel sollen bisherige Investitionsbeschränkungen zumindest gelockert werden.

Zwei „Denkfabriken“, das China Institute for Reform and Development (Hainan, China) und das Center for European Policy Studies (CEPS, Brüssel), haben für die chinesisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen ebenfalls Ehrgeiziges im Sinn: ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden Wirtschaftsräumen, und einen konkreten Fahrplan zu diesem Ziel.

In Deutschland allerdings – neben Großbritannien wohl das einzige „große“ EU-Land mit einem starken Interesse an „freiem Handel“, werden mittlerweile strategische Interessen geäußert, die Beijing als protektionistisch einsortieren wird, und die im Zusammenhang mit dem Interesse des chinesischen Midea-Konzerns am deutschen Roboterhersteller Kuka (Augsburg) von der deutschen Politik zunehmend deutlich thematisiert werden*):

Zwar unterstelle man dem Kuka-Investor nicht per se unlautere Absichten, hieß es in Regierungskreisen. Der Fall verdeutliche aber grundsätzlich die wachsende Anfälligkeit offener Märkte. Einzelnen Investoren müsse man ein Streben nach „ökonomischer Hegemonie“ unterstellen. Das gelte insbesondere für bestimmte Staatsfonds, aber auch für Unternehmen, die mit massiver Unterstützung ihres Heimatlands agierten,

schrieb das „Handelsblatt“ in seiner Wochenendausgabe.

*) vergl. „Morning Roundup“ vom 13.06.16, Subtitel Politikmagazin warnt vor Euphorie.

Taiwans Kommission für die Mongolei und Tibet

Vor weitreichenden Reformen steht womöglich auch die Republik China, besser bekannt unter dem Namen Taiwan. Es geht um die Zukunft der Kommission für die Mongolei und für Tibet. Die offizielle Landkarte der Republik China sieht bis heute so aus.

Sollte die Kommission allerdings tatsächlich umverteilt werden, wird sich das im Taiwaner Alltagsleben kaum bemerkbar machen.

Sommeranfang

Heute beginnt der kalendarische Sommer, und ab morgen werden die Tage wieder kürzer.

Deutsche Märchenstraße (bei Bremen, Archivbild)

Deutsche Märchenstraße (bei Bremen, Archivbild)

Keine Klassen, nur Liberale: Paul Nolte ruft zum „Schulterschluss“ auf

Paul Nolte, Historiker an der FU Berlin, beschreibt in einem Interview mit dem Schweizer „Tagesanzeiger“ die quasi-revolutionäre deutsche Unruhe als einen Konflikt zwischen Systemvertrauern und Systemverächtern, wobei sich die einen in der Mitte und die anderen an den Rändern sammelten. Der Kreisvergleich ist mindestens insofern passend, als „links“ und „rechts“ bei den Systemverächtern keine verlässlich zutreffenden Kategorien zu sein scheinen. (In der „Mitte“ ohnehin nicht.)

Auf die Frage, was „einfache Bürger“ tun sollten, reagiert Nolte mit einer Art Aufruf:

Wir Liberalen müssen wieder stärker den Mut haben, zu unserem System zu stehen, den Populisten klar zu widersprechen und ihr Weltbild nicht einfach hinzunehmen. Widersprechen heisst nicht ausgrenzen, sondern sich auseinandersetzen, aber beharren.

Klassenkonflikte sieht Nolte offenbar nicht, und der „Tagesanzeiger“ hakt bei seiner ursprünglichen Frage nach den Optionen oder Pflichten einfacher Bürger auch nicht mehr nach.

Dabei dürfte Nolte die Existenz von Klassen nicht unbekannt sein. Aber ein Essay, den er vor mittlerweile fast dreizehn Jahren in der „Zeit“ veröffentlichte, war erstaunlich vage, wenn es um die Benennung von Ursachen für die „kulturellen Wurzeln der Verwahrlosung“ der Unterschichten ging. Leseprobe:

Wir stehen vor einem Neubeginn, einem Paradigmenwechsel im politischen Umgang mit den Unterschichten. Wir sind zu lange einem Konzept gefolgt, das man als „fürsorgliche Vernachlässigung“ bezeichnen könnte. Einer vergleichsweise hohen materiellen Fürsorge der Unterschicht steht eine Vernachlässigung in sozialer und kultureller Hinsicht gegenüber. Das Ziel muss es wieder sein, Kulturen der Armut und der Abhängigkeit, des Bildungsmangels und der Unselbstständigkeit nicht sich selbst zu überlassen, sondern sich einzumischen, sie herauszufordern und aufzubrechen. Es geht um Integration in die Mehrheitsgesellschaft, aber auch – für viele ein heikleres Thema – um die Vermittlung kultureller Standards und Leitbilder.

Bei solchen Sülzkaskaden reichte es nicht einmal für eine klare Diagnose. Dafür landete der Verfasser mit aber einem großen Sprung nach vorn sogleich bei der Diskussion mehr oder weniger konkreter Maßnahmen. An dieser Herangehensweise hat sich offenbar nicht viel geändert.

 

steinmeier

Frank-Walter Steinmeier. Illustration: Sofortbild, 2016 (CC)

Steinmeier „ein treuer Schüler Schröders“

Steinmeier macht was mit Frieden, und im kriegslüsternen Polen kommt das nicht überall gut an:

Steinmeiers Worte sorgen für Eklat, schreibt der deutschsprachige Dienst des polnischen Auslandsradios unter Verwendung von Material unter anderem von „Reuters“ und der Zeitung „Gazeta wSieci“. Hierbei kommt Piotr Cywiński zu Wort, ein Journalist und zeitweiliger Deutschland-Korrespondent, der laut Wikipedia unter anderem auch die Bundeskanzler Schmidt, Kohl und Schröder interviewte*):

Für den langjährigen Deutschlandkenner Piotr Cywiński, sind die Worte Steinmeiers keine Überraschung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, ist ein treuer Schüler von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der wiederum stolz darauf ist, ein enger Freund Putins zu sein. Beide werden in Moskau als Verbündete angesehen, schrieb Cywiński in seinem Artikel für das Wochenmagazin wPolityce.pl.

Noch aber ist die gute deutsch-polnische Nachbarschaft nicht in der Tonne: 32 Prozent der in einer Umfrage der Tageszeitung „Rzeczpospilita“ befragten Polen betrachten Deutschland als den „besten Verbündeten Polens in der EU“. Ungarn folgt auf Platz 2; Großbritannien auf Platz 3.

Allerdings, so „Rzeczpospolita“ (wiedergegeben durch das polnische Auslandsradio), werde Deutschland vor allem von Anhängern liberaler Parteien so positiv gesehen. Unter den Unterstützern der regierenden PiS-Partei betrachteten nur neun Prozent Deutschland als wichtigen Partner.

*) Wenn ich „Google Translate“ nicht falsch interpretiere – JR.

Trump reorganisiert Wahlkampfteam

Donald Trump, den Delegiertenstimmen nach wahrscheinlicher Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner, entlässt Corey Lewandowski, seinen Wahlkampfmanager. Damit reagiert er laut „New York Times“ auf Bedenken von Parteifunktionären und finanziellen Unterstützern seiner Wahlkampagne hinsichtlich der Arbeit Lewandowskys. Es wird erwartet, dass Lewandowskis Pflichten – mit oder ohne ausdrückliche Erklärung – auf Trumps strategischen Planer Paul Manafort übergehen.

Mitgehangen, mitgefangen: Schottland und der Brexit

Solle das Referendum in Großbritannien übermorgen (am Donnerstag) eine Entscheidung für einen Austritt aus der EU treffen, stünde Schottland vor der Frage, ob es das Vereinigte Königreich verlassen und der EU beitreten wolle, so Detlef Drewes, freier Korrespondent in Brüssel, in einem Beitrag unter anderem für die Oldenburger „Nordwestzeitung“. Das sei allerdings eine langfristige Angelegenheit – und das gelte sowohl für eine schottische Austrittsphase aus dem UK, als auch für eine Eintrittsphase in die EU.

„Outright Monetary Transactions“: Bundesverfassungsgericht muss urteilen

Das Bundesverfassungsgericht muss heute erneut über die OMT-Politik der Europäischen Zentralbank befinden, nachdem der EuGH sich der Kritik der Karlsruher Richter weitgehend nicht angeschlossen hatte.

Ein unschönes Fallbeispiel darüber, wie politische Beschlüsse Fakten schaffen und angebliche Absicherungen dabei glatt überfahren. Nur gut, dass so etwas bei einem TTIP-Vertrag niemals passieren könnte.

 

UPDATE: 10:30 Uhr   __by Auerbach

+++ Échauffements in Kürze +++

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In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod. (Friedrich von Logau)

BERLIN. Erbschaftssteuer: »Familienunternehmen gewinnen Lobbyschlacht um die Erbschaftsteuer« titelt Cerstin Gammelin ihren Kommentar (SZ, v. 20.06.2016). Über die Auswirkungen des am Montag verabschiedeten Kompromisses in Sachen Erbschaftsteuer schreibt Gammelin:

Um durchschnittlich 200 Millionen Euro soll das Aufkommen an Erbschaftsteuer jährlich steigen, wenn die neuen Regeln in Kraft sind.

Zum Vergleich: Jährlich werden in Deutschland Vermögen im Wert von 200 bis 300 Milliarden Euro vererbt. Und das sind nur die konservative Schätzungen. Das Aufkommen an Erbschaftsteuer schwankte zuletzt zwischen fünf und sechs Milliarden Euro.

Mit anderen Worten: Die große Koalition hat in den vergangenen Monaten unverhältnismäßig viel politische Energie in eine Bagatellsteuer gesteckt.

Doch die Selbstbeweihräucherungen führender Politiker überschlagen sich. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel stellt die last-minute Einigung der Großen Koalition in Sachen Erbschaftssteuer doch glatt schon einen »Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit dar«. CSU-Oberhorst Horst Seehofer freut sich gar über »den Schutz von Arbeitsplätzen« [sic!].

Clemens Fuerst, Präsident des Ifo-Instituts: »Die Reform hält an der Kombination aus hohen Steuersätzen und komplexen Ausnahmen für Betriebsvermögen fest.« Durch ein Dickicht an Sonderregelungen und Vergünstigungen werden große Vermögen also weiterhin niedriger besteuert als die der Normalverdiener.

https://twitter.com/DKultur/status/744957504652713984

Eine detaillierte Analyse zur neuen Erbschaftssteuerregelung in der Zeit: Verpasste Chance?

Fazit: SPD, CDU und CSU beklagen zwar in Personalunion, lautstark und medienwirksam die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland, die Kluft zwischen dem 1% Superreichen und der immer härter arbeitenden Bevölkerung. Nur schaffen sie es offensichtlich nicht, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Erbschaftssteuer so zu formulieren, dass eben diese beklagten Unterschiede auch nur ansatzweise bekämpft und ausgeglichen werden könnten. Sofortbilds Ratschlag: Freunde, hört auf! Geht in Rente. Macht Urlaub. Hört einfach auf, derart halbherzige Kompromisse zu verabschieden. Traut Euch endlich, Politik zu machen! ****** Note: Sechs. Sitzen geblieben.

 

Morning Roundup: Supertrumps Nordkoreapolitik, Je ärmer der Brite

Trump: Druck auf China, Reden mit Kim

Als Präsident würde Donald Trump den nordkoreanischen Staats- und Parteichef in die USA einladen. Sagte er vorgestern. Aber vielleicht sagte er das auch nur, weil er es vor vier Wochen schon einmal gesagt hatte:

I would speak to him, I would have no problems speaking to him, at the same time, I would put a lot of pressure on China, because economically, we have tremendous power over China, people don’t realize that. They are extracting vast billions of dollars out of our country, billions …

Reuters: But you said you’d talk to Kim?

Trump: Sure, I would speak to him, I have no problems speaking to him.

Offenbar war er in den Monaten seit Februar zu dem Schluss gekommen, dass man Kim Jong-un womöglich doch nicht so ohne weiteres …

… verschwinden lassen könne.

Und weil sie (amer./engl.: they, also das Establishment, also zum Beispiel Reuters und Hillary Clinton) so darüber gelacht oder geschimpft oder nochmal irgendwie komisch nachgefragt hatten, zeigte Trump, dass er Außenpolitik mit Kontinuität meint, so wie alle Profis, und anders als Amateure wie Hillary Clinton:

There’d be a chance of ten percent or twenty percent that I can talk him out of those damn nukes, because who the hell wants him to have nukes, and there is a chance! I’m going to make a good deal for us. But there is a chance! … It’s called opening a dialogue.

 

Andererseits wird aus dem Treffen mit Kim Jong-un vermutlich doch nichts, sagte er gestern, und machte sich daran, die Servietten bei den Staatsbanketten im Weißen Haus zu zählen.

Ungefähr so wie hier, aber mit dem Unterschied, dass es in ein paar Monaten vielleicht kein Film mehr ist.

Was Beijing von Trumps „Druck“ hält, hat es jedenfalls schon mal angedeutet: am ersten Juni traf der chinesische Partei- und Staatschef zum erstenmal seit 2013 einen ranghohen nordkoreanischen Politiker, Ri Su-yong.

Von Chinas Standpunkt her gesehen, wenn sein Aufstieg unweigerlich mit den USA kollidiert, warum sollte dann Beijing Washington und Seoul [bei den Problemen mit Nordkorea] helfen, wenn das [Chinas] eigenen geopolitischen Interessen zuwiderläuft?

schrieb Lee Seong-hyon, Mitarbeiter der südkoreanischen Denkfabrik Sejong Institute, einem Bericht der „SCMP“ zufolge auf „Facebook“.

Supertrump

Spaß beiseite, eigentlich wird es eine wunderschöne Präsidentschaft, zumindest für eine Weile:

P.S.: Diese Produktion (mit nordkoreanischen Besonderheiten) kommt nicht aus Japan, sondern aus Kalifornien. Weltpopkultur, Weltpräsident, Weltuntergang.

Brexit oder nicht: eine Generationenfrage

Je älter und ärmer der Brite, desto Brexit, notiert Aussie, ein Blogger auf der Plattform des „Freitag“, der sich gerade in Nordwestengland aufhält.

Den zornigen Briten den Brexit ausreden möchten demnach

Obama, und die Damen Merkel und Lagarde, die Herren der zweiten Reihe, Tusk, Junker, Schaeuble und natuerlich auch Cameron und seine City-Claqueure.

Nur den chinesischen Partei- und Staatschef Xi Jinping hat Aussie vergessen. Dabei sieht der das mit dem etwaigen Brexit doch gar nicht anders als Obama.

Jo Cox, 1974 – 2016

Jo Cox, Abgeordnete des Wahlkreises Batley and Spen in West Yorkshire und Mitglied der Labour Party, starb gestern (Mittwoch) an den Folgen eines Attentats. Vor ihrem Abgeordnetenmandat war sie bei Oxfam für Strategieentwicklungen zuständig, war später eine der Mitglieder des Parlaments, die Jeremy Corbyn für die Parteiführung nominierten, und erklärte im vergangenen Monat, warum sie das mittlerweile bereue. Man müsse sich fragen, warum die Labour-Partei bei den Wahlen in Schottland, England und Wales Niederlagen habe verzeichnen müssen, trotz miserabler Leistungen der konservativen Regierung David Camerons.

Bei der Kampagne für den Verbleib Großbritanniens in der EU erwarteten sie und ihr Parteifreund Neil Coyle nunmehr von Corbyn, dass er die Partei wirklich führe.

Jo Cox hinterlässt einen Mann und zwei Kinder.

Polen und Deutsche – das Tandem der beleidigten Leberwürste

„Polen und Deutsche. Geschichten eines Dialogs“ sei eine Ausstellung des Museums für die Geschichte Polens in Warschau, ins Werk gesetzt vom polnischen Außenministerium und dem polnischen Parlament, so die „Welt“. Sie sei ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen solle, nämlich ohne Einbeziehung des Gesprächspartners.

Noch schlimmer aber sei, dass Lech Walesa, in den 1980er Jahren Führer der polnischen Opposition gegen die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei und später gegen das Militärregime, in der ganzen Ausstellung nicht ein einziges Mal erwähnt werde; dafür aber der 2010 bei einer missglückten Flugzeuglandung ums Leben gekommene Präsident Lech Kaczynski und die jetzige Ministerpräsidentin Beata Szydło, beide von der regierenden konservativen Partei PiS. Eine ‚“gewagte Behauptung“ über eine unvollständige Vertragstreue Deutschlands bei den Bestimmungen über Minderheitenrechte im Nachbarschaftsvertrag rundeten das Bild ab.

Wie genau der gedankliche Weg aussieht, auf dem der Artikel in seinem vorletzten Absatz zu seinem Fazit gelangt – [e]igentlich dürfte eine derart fragwürdige Darstellung im deutschen Parlament nicht gezeigt werden -, erschließt sich diesem Leser nicht.

Nur gut, dass Polen keine Komplexe hat. Dafür hat es aber einen deutschsprachigen Auslandsradiodienst, unter anderem auch (wieder) auf Deutsch. So kann man im Rahmen einer polnischen Presseschau auch gleich Stellung zu den Vorwürfen aus der deutschen Presse – und des auch bei der „Welt“ erwähnten Bundestagsabgeordneten und Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen – nehmen (lassen).

Der deutschsprachige Auslandsdienst – von der polnischen Vorgängerregierung „eingespart“ und seit dem Amtsantritt der PiS-Regierung mit einer Art wöchentlichem Gegendarstellungspodcast online, darf jetzt wieder täglich aktualisieren.

Wer die beim Thema Polen ziemlich verstrahlte deutsche Presse liest, tut gut daran, auch die eine oder andere Antwort darauf aus Polen zur Kenntnis zu nehmen. Nett wäre es allerdings, die Antworten des polnischen deutschsprachigen Auslandsradios kämen ohne ihre permanente Moment-mal-Attitüde aus. Entweder, die deutschsprachigen Radiomacher halten ihre Hörer für blöd, oder sie gehen davon aus, dass sie nur sehr wenig Zeit zum Nachdenken haben.

Man möchte Deutschland und Polen eine guten Austausch im Alltag wünschen – geschäftlich, kulturell, etc.. Auf der politischen und publizistischen Ebene geht das zur Zeit jedenfalls in die Hose.

 

+++ échauffements +++

+++ POLEN. +++ Auf einer Baustelle in Warschau sind Arbeiter aus Nordkorea beschäftigt. Polnische Medien sprechen von „Arbeitssklaven“. Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass die Arbeiter einen Teil ihres Gehalts an den nordkoreanischen Staat abgeben müssen. Nord Korea http://www.deutschlandfunk.de/polen-streit-um-arbeiter-aus-nordkorea.795.de.html?dram:article_id=354501 +++ dieZeit dazu »Schuften für den Führer – Nordkoreas Diktator verkauft Zwangsarbeiter in die ganze Welt, damit sie ihm Devisen beschaffen – sogar nach Polen, mitten in die EU. http://www.zeit.de/2016/13/nordkorea-zwangsarbeiter-ausland-polen

 

+++ Update [12:08 Uhr] +++ Sommer, Sonne, Urlaubszeit …

__by Auerbach

+++ ATHEN. Kein Pool, keine Minibar, kein Roomservice und trotzdem DAS BESTE HOTEL EUROPAS. Was kommt zuerst? Das Leben der Geflüchteten? Oder das Privateigentum, das nicht genutzt wird? Während in London, Berlin und Frankfurt ganze Straßenzüge veröden und immer mehr Wohnraum seit Jahren einfach leer steht – Millionen Quadratmeter, renditeträchtige Spekulationsobjekte –, setzt sich die griechische Zivilgesellschaft zur Wehr. Mutige Menschen, zusammen gegen Obdachlosigkeit, besetzen leestehende Immobilien im Stadtzentrum Athens. Jetzt Doppelzimmer buchen! +++ Aktuelle #Refugee-Squats #Athen: #CityPlaza #Notara26 #Kanegos22 #The5thSchool #Votanikos #BrahamiSofortbild unterstützt diese Aktion und sagt: Mehr davon!
Kein Pool, keine Minibar, kein Roomservice und trotzdem

+++ BERLIN. Not und Spiele heißt die neue Kunstaktion des Zentrum für Politische Schönheit (@Politicalbeauty). Geworben wird mit der Aktion für »Flugbereitschaft«:

»Warum dürfen Flüchtlinge nicht fliegen? – Die Joachim 1, die erste Maschine der Flugbereitschaft der deutschen Zivilgesellschaft, bringt Flüchtlinge per Direktflug nach Deutschland – und legt Schleppern das Handwerk. Spenden Sie jetzt und entscheiden Sie, welche Kandidaten mitfliegen dürfen.« (ZPS)

 

 

 

Morning Roundup: Vereinigt Euch!

 

Bildschirmfoto 2016-06-15 um 09.46.17

__by Auerbach

PARIS +++ 14.06.16. Solidaritätsbekundungen an breiter Front, Frankreich probt den Generalstreik während der EM2016. Proteste gegen die Arbeitsmarktreform wachsen zu einer sozialen Bewegung an. Der Soziologe und Aktivist Hadrien Clouet spricht im Interview Protestieren bis zum Rücktritt über die Ziele der Protestbewegung #Nuit Debout (ND). +++ In Paris geht die Regierung erstmals mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. #LoiTravail

»Wenn ich zwischen der EM und meiner Zukunft wählen muss, dann wähle ich meine Zukunft. Ich habe gar kein Problem damit, die EM zu sabotieren. Wenn die Regierung uns dazu drängt, bleibt uns keine andere Wahl. Sie setzt sich einfach über das Parlament hinweg und drückt ein Gesetz durch, obwohl es die Mehrheit der Franzosen ablehnt Hadrien Clouet Protestieren bis zum Rücktritt

Die Proteste stellten eine Art Anti-Schockstrategie dar, so Aurélie Audeval in ihrer Analyse der politischen Situation (ak – analyse & kritik, Nr. 616 / 24.5.2016). Die französische Regierung nutzt den Ausnahmezustand, um die Arbeitsgesetze zu verschärfen. Nuit debout könnte das verhindern.

+++ Der LIVE TICKER (Blockupy & ND) zum Sport Event der anderen Art. Das, in dem unsere Zukunft verhandelt wird.

 

__by JR

Ukrainian Radio / WRMI, 14./15.06.16

The situation in eastern Ukraine remains very tense. Six Ukrainian soldiers were injured in the hostilities over the past day. Presidential military spokesman Andriy Lysenko said at a briefing in Kiev on Tuesday. According to him, there were casualties among Russia-backed militants. Four were killed and three were wounded in the past day. They were all from three sub-divisions of so-called Donetsk People’s Republic who were part of subversive and spy groups, on Mariupol direction, and carried out mortar attacks on the government forces in Avdiivka, Lysenko said. According to the press center of the Ukrainian army operation, separatists attacked government forces positions fourty times in the past days. An update on Tuesday morning said the highest number of attacks, nineteen, were reported in the Donetsk sector, eighteen in the Mariupol sector, and three in Luhansk sector. The enemy frequently used heavy, high-calibre arms that were banned by the Minsk agreements on cease-fire.

[…]

The government of France has made it clear that European Union’s sanctions against Russia must be kept on place until Moscow implements the Minsk agreements in full, and this position remains unchanged. French ambassador to Ukraine, Isabelle Dumont, has said that according to her, the French senate simply expressed its opinion and desire regarding the lifting of the sanctions. The French economy is suffering from the sanctions, so there is such a desire, Dumont explained.

Related

Französischer Senat stimmt für Lockerung, Sputniknews, 08.06.16
Ukraine kritisiert Ostausschuss, Handelsblatt, 13.06.16

Selbsterklärende Links

„Nachdenkseiten“: Privatisierung der Autobahnen im Schatten der Fußball-EM?

„Die Welt“: Trump ist so wie wir, ein Social-Media-Narzisst
„The Intercept“ über Orlando / ISIS: Lots of publicity with no apparent connection to Omar Mateen
Donald Trump: We are hereby revoking the press credentials of …
„Nikkei Asian Review“: 3. U.S.-Flotte soll die 7. unterstützen
Signalbuchdiplomatie [1]: Taiwans Marine macht Kontakt mit US-Navy
Signalbuchdiplomatie [2]: Zeitungsbericht erschien nicht im Behördenauftrag
Signalbuchdiplomatie [3]: Taiwan not included
Kartenraumdiplomatie: Barack Obama trifft Dalai Lama
Scheiß auf Diplomatie: Israels Nachbarschaft „zu chaotisch“ für eine kohärente Außenpolitik?

 

+++ Update 13:50 Uhr +++ by Auerbach

Échauffements in Kürze
FRANKFURT unter Wasser. +++ Der naße Sommer, als wir staunend den Meldungen der Europäischen Zentralbank folgten … Nach starken Regenfällen und Hagelstürmen standen gestern Straßen und Teile des Frankfurter U-Bahnnetzes unter Wasser. Es regnet unverändert weiter +++

Thin line between love & hate

Omar Mateen tötet 49 Menschen. An jeder zweiten Ecke nennen sie das „Massaker von Orlando“ eine Tragödie, was ich anfänglich für falsch halte. Daniel Sanders Text auf SPIEGEL ONLINE, der die Tat schon im ersten Satz, wie ich, einen Massenmord nennt, ist überschrieben mit „Er meinte uns”.

Sollte es aber stimmen, dass Omar Mateen selbst im „Pulse“ verkehrte und über eine Dating-App Kontakt zu Männern suchte, dann handelte es sich sehr wohl um eine Tragödie. Und Daniel Sanders Text könnte genauso gut mit „Er meinte sich” überschrieben sein.

Mord bleibt Mord. Aber wie tragisch ist es, wenn ein junger Mann in einem der freiesten Länder der Erde derart an sich kaputt geht, dass der nach außen gekehrte Selbsthass ausreicht, um u.a. die eigene Ehefrau zu drangsalieren und schlussendlich 49 Menschen mit in den Tod zu nehmen.

Wie vergiftet von falschen Gottes-, Moral-, Ehr- und Männlichkeits-Bildern muss jemand sein, der in den USA geboren wurde, aber es im Jahre 2016 nicht schafft, zur eigenen Sexualität zu stehen. Sie zumindest heimlich auszuleben – was auf Dauer keine zufriedenstellende Lösung ist, aber immerhin mit Respekt vor eigenen, sexuellen Empfindungen/Bedürfnissen einherginge.

Zitat aus einem Beitrag in der Zeit zu Thomas Hitzlspergers öffentlichem Coming Out 2014:

„Wer denkt, Homosexualität sei doch heute kein Tabu mehr, sich dazu zu bekennen mithin kein Problem, der kennt Schwule und Lesben wahrscheinlich nur aus dem Fernsehen. Denn für den einzelnen Homosexuellen ist es zunächst mal ein Kraftakt, sich selbst einzugestehen, so zu sein, wie man ist; eine weitere Anstrengung ist nötig, um „es“ den Eltern und Freunden zu sagen.“

Sollte es außerdem stimmen, dass der Schlächter von Orlando sein Töten als einen islamistischen Terror-Akt nur verkleidete, passte das ins zuvor gezeichnete Bild. Ein radikal-islamistischer Anschlag bliebe es dennoch. Allein das erste Opfer der Tragödie hörte auf den Namen Omar Mateen.

Noch halb Kind und in einem Alter, in dem die Klassenkameraden unberechenbare Monster sind, braucht kein Mensch die Erkenntnis, nicht in die Rolle zu passen, von der man bis dahin glaubte, das Leben habe sie für einen vorgesehen. Nicht Dolce & Gabbana, sondern ein Schlag ins junge Genick ist es, sich selbst als Enttäuschung des gesamten Umfeldes, vornehmlich der eigenen Eltern, wahrzunehmen. Die Selbsttötungsrate unter homosexuellen Jugendlichen (auch nicht angehender ProfisportlerInnen wohlgemerkt) ist dementsprechend hoch.

J. 2014/2016

R.I.P. ♡

Morning Roundup: Militärausgaben „in die richtige Richtung“

by Auerbach und JR

Weil du doof bist: Rossija TV versus ARD

Für die Richtigkeit der deutschen Subtitel übernimmt Sofortbild keine Gewähr.

Nachdem ARD-Dokumentarfilmer Hajo Seppelt einen Film über Doping in Russland gedreht hatte, schlug Rossija TV zurück:

Unsere Journalistin Olga Skabejewa reiste extra nach Deutschland, um dem Autor des ARD-Films einige Fragen zu stellen. Sehen Sie, was daraus geworden ist.

Solche Probleme hatte er noch nie, erzählte Hajo Seppelt dem RBB-Medienmagazin am Samstag, zwei Tage nach der Ausstrahlung des völlig aus dem Ruder gelaufenen Interviews durch das russische Fernsehen.

NATO im Manöver

Der polnische Staatspräsident Andrzej Duda nahm am Montag an den Militärmanövern Anakonda 2016 teil. Er werde die Kriegsspiele auf dem Truppenübungsplatz Drawsko Pomorskie beaufsichtigen, wo Flugzeugabschuss durch Artilleriefeuer geübt [..] und eine Pontonbrücke aufgestellt werden solle, erklärte Radio Polen. Laut einer Meldung von „Zeit online“ nahmen an dem Manöver auch Soldaten aus Partnerländern der NATO teil – unter anderem aus Schweden, Georgien und der Ukraine.

NATO-Generalsekretär [Jens Stoltenberg] kündigte laut „Wall Street Journal“ eine Steigerung der Verteidigungsausgaben in Europa und Kanada an:

Dies ist echter Fortschritt. Nach vielen Jahren, in denen es in die falsche Richtung ging, beginnen wir damit, in die richtige Richtung zu gehen.

Eine über den amerikanischen Kurzwellensender WRMI verbreitete Nachrichtensendung des ukrainischen Auslandsradios meldete heute früh,

Heavy fighting continues in the east of Ukraine, according to this morning’s ATO*) press center report, the Russian-backed fighters conducted fourty attacks across the front line over the past 24 hours, most of them in the Donetsk area. Military press officer Arkady Radkovsky later said that this morning, there had been another six attacks between midnight and 8 a.m. on Monday. Notably positions near Novotroitska on the Donetsk-Mariupol highway were reportedly attacked once more with 120 and 82 mm mortars, banned by the Minsk agreements. Colonel Andriy Lysenko, .. spokesman for the presidential administration, said that three soldiers had been wounded with none killed.

*) „anti-terrorist operations“

Solidaritätsforderungen

In einer Beileidsbekundung nach dem Massaker im „Pulse“-Club in Orlando habe Bundeskanzlerin Angela Merkel nur allgemein von Toleranz, nicht mal Akzeptanz gesprochen, kritisieren Norbert Blech und Dennis Klein in einem Artikel des LGBT-Nachrichtenportals „Queer“. Den (richtigen) Ton getroffen hätten hingegen US-Präsident Barack Obama, die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei Hillary Clinton, und der kanadische Premierminister Justin Trudeau.

Volker Beck, religionspolitischer Sprecher der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, wird von „Queer“ mit dem Hinweis zitiert, homophobe und islamistische oder terroristische Hintergründe des Massenmords schlössen einander nicht aus. Homophobie sei „integraler Bestandteil des Islamismus“, so Beck am Montag.

Antisemitismus und Homophobie sind in der Gedankenwelt des IS tief verankert“, Juden und Homosexuelle seien als „Symbole einer offenen und pluralistischen Gesellschaft“ für die Terrororganisation herausragende Ziele ihres Terrors und ihrer Propaganda, betonte Beck.

Mit Morddrohungen und Beleidigungen, die seit der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages gegen die elf türkischstämmigen Abgeordneten gerichtet werden, befasst sich die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Der Grüne Parteivorsitzer und Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir forderte die türkischen Verbände und Integrationsbeiräte in Deutschland auf, nach den Drohungen gegen türkischstämmige Abgeordnete wegen der Armenien-Resolution des Bundestages klar Stellung zu beziehen, meldete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Samstag.

Der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (F.A.S.) sagte Özdemir: „Man muss die Resolution nicht gut finden. Ich stelle mich den Fragen der Menschen. Aber türkische Organisationen müssen ohne jede Hintertür die Mordaufrufe verurteilen. Da kann es keine zwei Meinungen geben. Wer hier ernst genommen werden möchte, wer Religionsunterricht an unseren Schulen durchführen möchte, der kann nicht nur mit den Zehenspitzen auf dem Boden unserer Verfassung stehen.“

Ein Sprecher der DITIB (Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion) erkärte, ebenfalls der FAZ zufolge, Beschimpfung und Bedrohung von Parlamentariern sind nicht hinnehmbar, sondern entschieden zu verurteilen. Punkt. Kein Wenn, kein Aber, kein Jedoch. Einfach Punkt.

Daran schloss sich allerdings laut „Telepolis“ Kritik darüber an, weitere Wortmeldungen aus dem DITIB hätten die Deutlichkeit solcher Aussagen verwischt. Und die DITIB wiederum kritisierte die ARD, weil sie eine Äußerung des Leiters der DITIB-Abteilung für Außenbeziehungen verkürzt wiedergegeben habe – eine unmissverständliche Distanzierung des Funktionärs von den Drohungen habe die ARD unter den Tisch fallen lassen.

Taiwan: Reisebeschränkungen für Ex-Präsidenten

Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich: Ma Ying-jeou, bis zum 20. Mai Präsident der Republik China (besser bekannt als Taiwan) darf nicht nach Hong Kong fliegen, um dort bei der Preisverleihungszeremonie einer Verlegergemeinschaft (The Society of Publishers in Asia) die Hauptrede zu halten.

Dass ein früherer Staatschef seine Auslandsreisen bei der Regierung beantragen muss, sieht dem taiwanischen Auslandsradio RTI zufolge ein Gesetz vor. Aber dass ein solcher Antrag abgelehnt wird, ist erstaunlich. Noch erstaunlicher ist die Begründung des Sprechers der neuen Präsidentin, Tsai Ing-wen, Ma keine Reiseerlaubnis zu erteilen: da Ma seinen Antrag nur dreizehn Tage nach dem Verlassen des Amtes und sehr kurzfristig gestellt habe, sei es unwahrscheinlich, dass die neue Regierung entdecken könnte, zu welcher welche Art eingestufter Informationen der frühere Präsident Zugang hatte, und ob er all diese Dokumente zurückgegeben und alle Freigabeverfahren abgewickelt habe.

Der Kommentar des Ex-Präsidenten dazu fiel laut RTI kurz und kühl aus: die Öffentlichkeit werde sich ihr eigenes Urteil bilden.

Aber auch bei dieser Gelegenheit haben Medien mit weltweiter Reichweite wieder einmal Gelegenheit, Unfug über Taiwans Geschichte zu verbreiten:

Die Insel sagte sich 1949, nach dem Bürgerkrieg, effektiv vom Festland los; Beijing besteht jedoch darauf, dass Taiwan noch unter seine Herrschaft fällt, und hat gelobt, es wenn nötig mit Gewalt wieder einzunehmen,

schreibt zum Beispiel „Time“.

Dabei ist es unter Völkerrechtlern umstritten, ob Taiwan nach dem 2. Weltkrieg von der damaligen Kolonialmacht Japan an China „zurückgegeben“ wurde, oder ob es von Japan einfach nur aufgegeben wurde. Schon gar nicht aber wurde Taiwan an die Volksrepublik China übergeben, sondern allenfalls an die Republik China, die bis heute als Staat auf Taiwan weiterexistiert.

Deutsche (und englische) Grammatik in zehn Sekunden

„Multisprech“ macht aus einer Mücke einen Elefanten. Dabei liegt die Antwort auf der Hand: alles, was nicht er und nicht sie ist, ist es. Und natürlich ist es nicht ideologiefrei, denn dann würde es sprachlich keine große Rolle spielen.

Chefwechsel bei REF/RL

Ein „starkes Kandidatenfeld“ habe sich um den Topjob bei „Radio Free Europe / Radio Liberty“ beworben, meldet der Sender in einer Pressemitteilung. Thomas Kent, Journalist, Korrespondent und stellvertretender Chefredakteur bei der Associated Press (AP), sei es dann schließlich geworden.

Die meisten Sender der Welt senden. Radio Free Europe spart. Vergleiche hier: Weniger Radio für Russland.

 

 

+++ Échauffements in Kürze +++

(Update 8:45 Uhr by Auerbach)

+++ PARIS. Nach dem Orlando Massaker, eine Geiselnahme in Frankreich. Ein Mann hat bei Paris einen Polizisten getötet und sich mit dessen Familie verschanzt, er berief sich auf den IS, bevor er von einer französischen Anti-Terroreinheit erschossen wurde. Laut Spiegel, wurde in der Wohnung eine tote Frau und ein unverletztes Kind gefunden.

+++ LONDON. Der Guardian-Journalist Owen Jones bewegt britische Medien, nachdem er gestern befragt zu den Hintergründen des #OrlandoShooting spontan eine Talk-Show verlässt. Owen Jones‘ Antworten schienen den Talkshow-Hosts nicht zu gefallen: »Orlando was both a terrorist attack AND a homophobic attack on LGBT people – this really isn’t hard.«

Nach mehrmaligen abrupten Unterbrechungen und Belehrungen stand er einfach auf und ging. Starke Haltung. Owen Jones äußert sich dazu in seinem Text, On Sky News last night, I realised how far some will go to ignore homophobia (Guardian).

In den Reaktionen der Interviewpartner Owen Jones gegenüber, drückte sich meiner Meinung nach unterschwellig ein soziales Gefälle aus: Der Cockney sprechende – sich zu seiner Herkunft bekennende Journalist aus der Working Class – wird vor laufender Kamera von zwei angepassten Prep-School Zombies – den Ja-Sagern aus der Mittelklasse – belehrt. Owen Jones ist ein außergewöhnlich engagierter Journalist, der sich dazu mutig, öffentlich als homosexuell geoutet hat und definitiv nicht zum journalistischen Establishment gehört. Die zwei Sky-Twitts lassen ihn genau das spüren. Aber er lässt es nicht mit sich machen, sagt: Up your’s. Guter Mann. Eine wichtige Stimme. »Chavs: The Demonization of the Working Class« heißt übrigens sein humorvolles, kluges Buch, über das moderne Prekariat.

Morning Roundup: Merkel besucht China / Massaker von Orlando

By JR

Chinas Handelspartnerstatus „wichtiger als TTIP“

Eigentlich hätte die Bundeskanzlerin auf ihrem „Youtube“-Kanal auch eine kurze Ansprache an ihr Volk halten oder einem Korrespondenten z. B. von „China Radio International“ oder der „Huanqiu Shibao“ ein Interview geben können. Vor allem Letzteres wäre vielleicht sogar ein bisschen spannend gewesen.

Statt dessen liest ein Politikstudent (zur Zeit offenbar Praktikant beim Bundespresseamt) Fragen an sie vor, und die Kanzlerin gibt Wortschwälle von sich. Etwa so:

Q: Die deutsch-chinesischen Beziehungen sind eng mit den europäisch-chinesischen verbunden. Die EU ist der wichtigste Handelspartner Chinas, aber es gibt doch Probleme. Die EU wird verstärkt gegen Billigimporte der chinesischen Stahlindustrie vorgehen und kündigt an, Anti-Dumping-Zölle zu erheben. China sieht darin einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation. Verhält sich die EU Ihrer Ansicht nach richtig, und wird die Bundesregierung mögliche Sanktionen gegen China unterstützen?

A: Also, wir haben in der Tat sehr enge Beziehungen – nicht nur zwischen Deutschland und China, sondern auch zwischen der Europäischen Union und China. Alle Mitgliedstaaten, aber auch die Kommission, führen natürlich viele Dinge durch. Wir haben im Augenblick eine sehr komplizierte Situation auf dem Stahlmarkt. China ist inzwischen einer der großen Stahlproduzenten der Welt, produziert etwa 50 Prozent der Stahlmenge, und das beeinflusst auch unsere Unternehmen. Und deshalb ist es die Aufgabe der Kommission, auch bei strittigen Dingen zu schauen: gibt es hier solche Notwendigkeit für Anti-Dumping-Verfahren? Wir werden strikt auf der Grundlage der Welthandelsorganisation uns verhalten, da kann ich für die Kommission wirklich die Hand ins Feuer legen, sozusagen, und ich werde das Thema Stahl auch bei meinem Besuch ansprechen, weil es für alle europäischen Mitgliedstaaten zur Zeit eine schwierige Situation ist, und ein Land wie China, das die Hälfte allen Stahls auf der Welt produziert, wird sicherlich auch ein Gehör dafür haben, was wir für Probleme haben.

In einem Nachrichtenartikel am Samstag schrieb der Berlin-Korrespondent der Nachrichtenagentur Xinhua,

Die amtliche Website der deutschen Bundeskanzlerin veröffentlichte am 11. Juni ein Interview, das Bundeskanzlerin Merkel kürzlich einem chinesischen Auslandsstudenten gegeben hatte. Merkel sagte in dem Interview, die zur Zeit von China durchgeführten strukturellen Reformen seien „sehr wichtig und auch sehr mutig“, und Deutschland wolle daran mitwirken.

Auf Einladung des Staatsratsvorsitzenden [in etwa Regierungschef] Li Keqiang wird Merkel vom 12. bis zum 14. Juni einen Staatsbesuch in China durchführen.

Auch Merkels Bezugnahme auf Nordrhein-Westfalens Strukturreformgeschichte findet bei Xinhua Erwähnung; nicht hingegen Merkels Anmerkungen zur Rolle ausländischer NGOs in China.

Während die Kanzlerin sich im Ton verbindlich gibt und mit Hilfe einer Art public-private public-diplomacy die Atmosphäre anwärmt, spielt Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzer Sigmar Gabriel schon seit über eine Woche den den fiesen der zwei Bullen: Wenn ein Land international den Status einer Marktwirtschaft bekommen will, darf es sich nicht wie eine staatlich gelenkte Wirtschaft verhalten, zitierte ihn Samstag vor einer Woche „Spiegel online“ und fügte hinzu:

Die Regierung zögert, China als Marktwirtschaft anzuerkennen, im Fall einer Ablehnung aber fürchtet sie einen Handelskrieg mit einem der wichtigsten deutschen Wirtschaftspartner. In Berliner Regierungskreisen heißt es, die Frage, ob China den erhofften Status erhalte, habe für die deutsche Wirtschaft „viel größere Auswirkungen als das in der Öffentlichkeit so heftig diskutierte transatlantische Freihandelsabkommen TTIP“.

Chinas Tagesschau, Sonntagabend

In den Abendnachrichten des chinesischen Zentralfernsehens wurde Staatsratsvorsitzender Li Keqiang mit dem Wunsch zitiert, in den 4. chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen die Verbindung der Initiativen „Made in China 2025“ und Deutschlands „Industrie 4.0“ in der Tiefe zu diskutieren, sowie die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit auf Drittmärkten, smart manufacturing, Innovation und weitere Themen. Beteiligt waren an dem Treffen der Regierungschefs auch der chinesische und der deutsche Außenminister.

CCTV Abendnachrichten, 12.06.16, 19 und 21 Uhr Ortszeit (fürs Video auf dieses Bild klicken)

CCTV Abendnachrichten, 12.06.16, 19 und 21 Uhr Ortszeit (fürs Video auf Bild klicken)

In den Auslandsnachrichten – gleich nach einer Meldung über das Massaker von Orlando – zeigte das chinesische Fernsehen schließlich noch Bilder von Demonstration am 11. Juni, gegen die mutmaßliche Lenkung amerikanischer Drohnen aus Ramstein.

Deutschland ist ein gutes Land.

Sinkendes Interesse an China?

Mehr als 50 Prozent der europäischen Firmen in der Volksrepublik arbeiten nach Auskunft des Präsidenten der europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, zurzeit noch profitabel,

zitierte ein „freier Mitarbeiter“ des „Bayernkurier“ am Dienstag den Präsidenten der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke. Aber wenngleich fast kein Unternehmen China verlassen will, sinke die Bedeutung Chinas als Investitionsstandort: neue Projekte und neue Produkte etabliere man, anders als in der jüngeren Vergangenheit, mittlerweile in andere Teilen der Welt; insbesondere in den USA.

Bernhard Zand, „Spiegel“-Korrespondent in China, zeichnet einen weniger eindeutigen Trend. Jörg Wuttke zitiert er mit der Bemerkung,

viele Beteiligungen und Übernahmen chinesischer Unternehmen in Europa funktionierten gut. Einzelne Unternehmen wie den schwedischen Autohersteller Volvo gäbe es heute vermutlich gar nicht mehr, wenn sie nicht ein chinesischer Investor übernommen hätte.

Politikmagazin warnt vor Euphorie

Bereits im September werde Merkel erneut in China sein, schreibt „Guanchazhe“ aus Shanghai. Damit werde die Kanzlerin China während ihrer Amtszeit dann zehnmal besucht haben und halte damit einen Rekord unter westlichen Staats- und Regierungschefs. Darin drücke sich die enge Beziehung zwischen China und Deutschland aus. In einem Interview mit dem Shanghaier Internetportal „Pengpai Xinwen“ habe der deutsche Botschafter in China, Michael Clauss, einem Befund seines chinesischen Kollegen in Berlin, Shi Mingde, zugestimmt, dass die chinesisch-deutschen Beziehungen „die besten in ihrer Geschichte“ seien. Auch die chinesischen Mainstream-Medien verwendeten in ihrer Berichterstattung Begriffe wie „neue Entwicklungschancen“ oder „neues Stadium in den Beziehungen“. Gleichzeitig aber stehe Merkel unter dem Druck deutscher Unternehmen, die von ihr erwarteten, dass sie die Überkapazitäten in der chinesischen Stahlindustrie und chinesische Investitionen in Deutschland anspreche.

Hinsichtlich des Status der VR China als „Marktwirtschaft“ habe Clauss gesagt, er hoffe, dass China und die EU bis zum Jahresende zu einem „für beide Seiten akzeptablen Plan“ gelangen würden.

Grundsätzlich nimmt „Guanchazhe“ viel Skepsis auf der deutschen Seite wahr.

Vom Sinologen und Thinktankbetreiber Sebastian Heilmann bis zum EU-Handelskammerpräsidenten Wuttke führt der Artikel Meinungsbildner in Europa auf, die  Chinas Handels-, Außenwirtschafts- oder auch Außen- und Militärpolitik kritisch bis pessimistisch sehen.

Und auch chinesische Unternehmenskäufe in der EU stießen auf Kritik:

Eine Untersuchung bezüglich der chinesischen Investitionen in der EU ergab 2015, dass 70 Prozent der Investitionen von chinesischen Staatsbetrieben getätigt würden. Dies werde von vielen Europäern als ein staatliches Verhalten mit politischem Faktor betrachtet. Bei dem Wunsch von Midea, seinen Aktienanteil bei Kuka zu erhöhen, gibt es in der deutschen Regierung Stimmen [gegen diese Erhöhung], aus Sorge vor einer Bedrohung der Kerntechnologie [Kukas].

Ganz neu ist die Eintrübung der deutsch-chinesischen Konjunktur allerdings nicht. Heilmann hatte schon anlässlich des achten Chinabesuchs Merkels im vorigen Herbst etwas Trübsinn verbreitet.

Massaker von Orlando

Omar Mir Seddique Mateen, mutmaßlicher Massenmörder und mittlerweile tot, war laut ersten Berichten im Nebenberuf Sicherheitsbediensteter, und dem FBI kein Unbekannter.

Die Berichterstattung ließ nichts aus; sie interviewte auch den Vater des Mörders, der auch gleich mit einer möglichen Erklärung für den mutmaßlichen Hass seines Sohnes auf schwule Nachtclubs aufwartete.

Mateens Vater „entschuldigte“ sich „für das ganze Vorkommnis“ (the whole incident) und erklärte, das habe „nichts mit Religion zu tun“.

Man sollte seine Ausführungen – gemacht in einer Extremsituation – nicht auf die Goldwaage legen, zumal anscheinend auch von den Interviewern nicht nachgehakt wurde. Aber die reflexhafte Ansage, Morde, die einen göttlichen Auftrag vorwenden, hätten nichts mit Religion zu tun, sind ungefähr so glaubhaft wie die Vorstellung, das Weiße Haus habe nichts mit Politik zu tun. Aber sie ist gelernt. Diese Phrase wird ein ums andere Mal gedroschen, wenn sich Mörder auf den Islam (oder andere Religionen) berufen.

Vermutlich ist das vielen der Anwender solcher Sprechblasen selbst durchaus klar. Trotzdem glauben sie, nicht darauf verzichten zu können. Das Gelaber ersetzt jene Stille der Besinnung, von der man fürchtet, sie könne in neue Gewalt umschlagen. Man setzt also in solchen Lagen auf Massenhassvermeidung. Aber nachhaltig ist diese oberflächliche Vermeidungsstrategie nicht.

Die Sorge, Religionsfeinde oder insbesondere Feinde von Moslems könnten ihr Süppchen auf Tragödien wie diesen kochen, ist nicht unbegründet. Aber auch deutsche Waffenkritiker sind von Versuchungen zur Massenmanipulation – drücken wir es vorsichtig aus – nicht frei. Auch die „Zeit“ (online) nicht:

Sicher ist kurz nach dem Attentat lediglich eins: Erneut ist es einem Täter gelungen, sich schwer zu bewaffnen, um seine Tat zu begehen. Omar M. trug eine Pistole und ein Sturmgewehr bei sich. Auch das ist eine traurige Realität in den USA: Trotz immer neuer Horrormeldungen über Opfer von Schusswaffen ändert sich an den in weiten Teilen des Landes laxen Waffengesetzen nichts.

Dumm nur, wenn sich etwas später nach dem Attentat abzeichnet, dass der Mörder kraft seines Amtes (oder Jobs) Waffen trug.

Eine Gesellschaft, die für das Establishment mit derart schlau-primitiven Mitteln steuerbar ist, ist eben bei sich bietender Gelegenheit auch für „Demagogen“ leicht steuerbar.

Darum lieben sie Donald Trump

Denn wie sagt zum Beispiel – auf einer anderen Baustelle – ein Trump-Fan aus Florida?

Donald Trump ist sehr echt und aufrichtig. Wir sind es leid, getäuscht zu werden. Je mehr sie versuchen ihn anzugreifen, desto mehr lieben wir ihn. (Donald Trump is very real and very sincere. We’re tired of being cheated. The more they try to attack him, the more we love him.)

Wer hat Angst vor Trump? Ich glaube, ich (justrecently) habe vor allem Angst vor seinen Wählern.

Traumschiff Erdogan bereist die Welt

Eigentlich sollte der türkische Präsident einer der Redner auf der Trauerfeier für Muhammad Ali in Louisville sein, zusammen mit dem jordanischen König Abdullah II. und dem früheren US-Präsidenten Clinton. Dann änderte man die Redeliste – Erdogan und Abdullah hätten dafür freundliches Verständnis gezeigt, zitierte die „Washington Post“ den Sprecher der Trauerfamilie, Bob Gunnell.

Aber das Re-Arrangement bot natürlich Raum für Spekulationen. Die „Washington Post“ zitierte außerdem einen türkischen Pressebericht, dem zufolge (WaPo-Übersetzung) die Organisatoren der Bestattungsfeierlichkeiten es abgelehnt hätten, einen türkischen Geistlichen während der Zeremonie Koranlesungen vornehmen zu lassen.

Oder Fethullah Gülen war – womöglich, man weiß es nicht – ebenfalls eingeladen. Dem früheren AKP-Verbündeten wurde 2013 von seinen früheren politischen Freunden ein „Putschversuch“ vorgeworfen. Mittlerweile lebt Gülen in den USA.

So oder so – das Traumschiff Erdogan kollidierte mit ein paar Realitäten: seien es die von der „Washington Post“ vermuteten, oder eine davon, oder andere, oder auch einfach nur neue, wichtige Termine, die eine frühzeitige Abreise aus Louisville, Kentucky ratsam erscheinen ließen.

Aber es waren jedenfalls Wirklichkeiten.

Insofern sind Weltreisen eine gute Sache. Man soll es allerdings auch nicht übertreiben und sich mehr Wirklichkeiten gönnen, als man vertragen kann.

Inzwischen ist seine Exzellenz wieder zu Hause. Gülen hingegen bleibt noch in Amerika.

Sanders-Unterstützer: „Warum ich nicht für Hillary Clinton arbeiten werde“

Bernie Sanders macht weiter.

„Hillary Clinton machte Geschichte, aber Bernie Sanders hat das störrisch ignoriert,“ jammern Michael Barbaro und Yamiche Alcindor in einem Artikel für die „New York Times“.

Soviel sozialistische Sturheit ist allerdings dermaßen skandalös, dass man eine Erklärung dafür finden muss, damit die behäbige Leserschaft nicht an der Nachricht erstickt. „Revolutionen“, dozieren die Autoren, „machen nur selten Platz für anmutige Bekundungen einer Niederlage.“

OK. Das war jetzt mundgerecht. Und das sollen auch erst einmal genug Zitate aus dem journalistischen Großformat, zur Lage des demokratischen Lagers in Amerika, gewesen sein.

Es gibt auch nachdenklichere Kritiker Bernie Sanders‘ und seiner Bewegung.

Robert Reich, langgedienter Demokrat in US-Bundesregierungen von Präsident Carter bis Präsident Clinton, riet Sanders Unterstützern in einem am 27. Mai veröffentlichten Aufruf, Clinton zu unterstützen.

Falls Clinton die Dem-Nominierung denn gewinne.  Aber mal ehrlich: glaubte Robert Reich auch nur von fern an eine Mehrheit für Sanders unter den Delegierten, Superdelegierte eingeschlossen? Tut oder tat das überhaupt jemand im Establishment? Schwer vorstellbar. Dafür lebt die Arroganz auf zu großem Fuß.

Dass man jetzt Clinton unterstützen müsse, um Donald Trump zu verhindern, zwitschern und trompeten die Vertreter des demokratischen Establishments von den Dächern. Und die deutsche Presse tut es ihnen weitgehend nach.

Umso lesenswerter ein abweichender Artikel wie dieser von Jake Johnson – „No, I won’t work for Hillary Clinton: a Response to Robert Reich“.

Es gehe nicht, wie von Reich propagiert, um eine Wahl des kleineren Übels, erklärte Johnson. Die angebliche Wahl zwischen dem größeren und dem kleineren Übel habe man schon früher vorgelegt bekommen.

Reich hatte am 27. Mai geschrieben:

Ich kann natürlich niemanden kritisieren, der seinem Gewissen folgt. Aber euer Gewissen sollte wissen, dass eine Entscheidung, nicht für Hillary zu stimmen, sollte sie die demokratische Kandidatin werden,eine faktische Entscheidung ist, Donald Trump zu helfen.

Darauf reagierte Johnson am 30. Mai, indem er just diesen Absatz Reichs zitierte, und dann wie folgt ausführlich kritisierte (es wird eine lange, auszugsweise Wiedergabe, ab hier):

Der zweite der beiden Sätze ist der entscheidende, und das Gewicht dieses Arguments zugunsten einer Unterstützung für Hillary Clinton, wenn sie nominiert wird, beruht auf seiner Stärke. Das Problem dabei: die Behauptung, „eine Weigerung, Clinton zu unterstützen sei „eine faktische Entscheidung, Donald Trump zu helfen“, ist irrig.

Vielleicht unabsichtlich wärmt Reich – in einem neuen Zusammenhang – ein ziemlich altes Argument auf, das – besonders herausragend – George Orwell in seinen Werken gegen Pazifismus in der Mitte des zweiten Weltkriegs vorbrachte.

„Pazifismus ist objektiv pro-faschistisch“, argumentierte Orwell in einem Essay, der 1942 veröffentlicht wurde. „Dies ist grundlegender gesunder Menschenverstand. Wenn man die Kriegsanstrengung einer Seite behindert, hilft man automatisch der anderen Seite.“

Wie Corey Robin bemerkte, hat das Establishment der Demokraten [der Demokratischen Partei] in einer Anstrengung, Abweichung zu unterdrücken und legitime Kritik an ihrer bevorzugten Kandidatin zum Schweigen zu bringen, eine gewissermaßen leninistische Haltung einzunehmen, die Einheit und Konformität grundlegenden Prinzipien überordnet, welche Demokraten in anderen Zusammenhängen verfechten – alles in der Verkleidung, die Partei zu schützen und den Sieg gegen die andere Seite zu sichern.

[…]

Aber diese Dichotomie ist falsch, wie Orwell selbst später in schriftlicher Veröffentlichung anerkannte.

„Das Schlüsselwort ist hier ‚objektiv‘, schrieb Orwell 1944. „Man erzählt uns, es seien nur die objektiven Handlungen der Menschen, die wirklich zählen, und dass ihre subjektiven Gefühle unwichtig seien. Daher hülfen Pazifisten, indem sie die Kriegsanstrengung behindern, ‚objektiv‘ den Nazis, und daher sei die Tatsache, dass sie persönlich dem Faschismus feindlich gesonnen seien, irrelevant. Ich habe mich mehr als einmal schuldig gemacht, das selber zu sagen.“

Orwell war eine Seltenheit unter politischen Autoren, weil er ziemlich schnell Fehler in seinen Argumenten korrigierte.

„Das ist nicht nur unehrlich; es bringt auch einen ernsthaften Nachteil mit sich,“ fuhr Orwell fort. „Wenn man die Motive von Menschen missachtet, wird es viel schwieriger, ihre Handlungsweisen vorauszusehen.“

[…]

Wenn man Clinton nicht aktiv hilft – sondern im November zu Hause bleibt – ist das für Reich gleichbedeutend mit einer Hilfeleistung für Trump.

Aber Sanders Unterstützer stehen nicht an den Seitenlinien; sie sind an vorderster Front, indem sie gegen Donald Trumps unverzeihliche Bigotterie protestieren und seinen falschen Populismus verurteilen, während sie eine begeisternde und integrative Alternative formulieren.

Das ist der Punkt, den Reich nicht anzuerkennen vermag: Man kann, ohne Widersprüchlichkeit, sowohl eine Unterstützung Clintons ablehnen und sich Donald Trump glühend entgegenstellen. Proteste, Engagement, Organisation und bürgerlicher Ungehorsam machen oft mehr Krach und erzwingen mehr Wandel als Entscheidungen an der Wahlurne.

[…]

Für Hillary Clinton zu arbeiten würde zum Beispiel die grundsatztreue Position zugunsten einer Wahlkampffinanzierungsreform beiseiteschieben, oder die gegen amerikanische Aggressionen in Übersee, zugunsten einer Kandidatin,die  wiederholt auf der falschen Seite stand.

Ich werde also weiterhin Bernie Sanders und die Bewegung unterstützen, die er entzündet hat – sowohl weil ich glaube, dass es das Richtige ist, und weil ich es ablehne, mich einer Kandidatin anzuschließen, die just in den letzten paar Monaten grundlegende Transparenzstandards verwarf, diejenigen herabsetzte, die für ehrgeizige soziale Programme kämpften, eine Kandidatin, die [einem Gesundheitswesen, in dem der Staat anstelle von privaten Versicherern für die Kosten des Gesundheitswesens zahlt], den Rücken kehrte, republikanische Spender umwarb, Wahlkampfbeiträge von der Wall Street und der Ölindustrie annahm und das zentrale Argument gegen die katastrophale Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Citizens United attackierte.

Ich werde mich Robert Reichs Kampf gegen Donald Trump gerne anschließen. Dessen Ignoranz ist beängstigend, und seine Bigotterie ist verwerflich.

Aber ich werde mir keine Vorlesungen darüber anhören, wie eine Weigerung, Hillary Clinton – eine Kandidatin, die den Rechtsschwenk der Demokraten verkörpert, welcher so zerstörerische Wirkungen für die Menschen hatte, für die Clinton nun zu kämpfen behauptet – auf eine Unterstützung für Trump hinauslaufe. Das ist nicht der Fall.

Was Reichs Besorgnis für die Zukunft der Demokratischen Partei betrifft, halte ich es mit Michelle Alexander: „Ich hege wenig Hoffnung, dass es in der Demokratischen Partei eine politische Revolution gebe, ohne eine fortgesetzte Bewegung außerhalb, die wirklich transformatorischen Wandel erzwingt. Ich neige zu dem Glauben, dass es leichter wäre, eine neue Partei zu errichten, als die Demokratische Partei aus ihr selbst heraus zu retten.“

Soweit Auszüge aus Jake Johsons Erwiderung auf Robert Reich.

In der Presse und im Rundfunk sind Argumente wie Johnsons fast nicht vernehmbar. Aber die Demokratische Partei wird möglicherweise im November die traumatische – und längerfristig heilsame? – Erfahrung machen, dass es ein Fehler war, sich um die Motive innerparteilicher (und auch außerparteilicher) Kritiker jahrzehntelang nicht zu kümmern.

Clinton gegen Trump sei „eine große Chance für Amerika“: in dieses mühsam konstruierte Klischee möchte der „Spiegel“ den sich abzeichnenden Showdown hineinpressen.

Das könnte wahr werden, aber mit einem ganz anderen Ergebnis, als es sich Veit Medick, Amerika-Korrespondent des Hamburger Nachrichtenmagazins, erhofft.

Die „checks and balances“, die aus Medicks Sicht Trump verhindern sollen, können eine Präsidentschaft des republikanischen Großmauls bei Bedarf auch zur Verfassungstreue zwingen – ebenso wie eine Präsidentschaft Clintons.

Mehr ist für die nächsten vier Jahre leider nicht drin. Aber sie werden weder den Weltuntergang bedeuten, noch den Untergang Amerikas.

Morning Roundup: Hat Clinton denn gewonnen?

Hillary Clinton’s Rede in Brooklyn

„The first time in our nation’s history that a woman will be a major party’s nominee for President of the United States.“

„Foxnews“ veröffentlichte eine Eil-Mitschrift der Rede.

„Ernstchen“, ein FC-Blogger, kritisiert die Medien beiderseits des Atlantiks:

Ob Nelles, Medick oder hier Pitzke, die US-Korrespondenten des Spiegel sind genau vom Schlage Establishment-Presse, wie sie Bernie Sanders auf dem Kieker hat: Auf Hillary Clinton eingeschossene Status-Quo-Systemapologeten, die sich in der Washingtoner Elitenblase pudelwohl fühlen und so gar nicht verstehen können oder wollen was Bernie Sanders überhaupt will und warum er so viele Unterstützer und Wählerstimmen hat.

[…]

Hat sie denn gewonnen? Und wenn ja, wie gegeben ist ihr Triumph über Witzfigur/Despot Donald Trump? Schon seit Monaten gewinnt Sanders in beinahe allen Umfragen in fiktiven Kopf-an-Kopf-Szenarien stets klar gegen Trump mit zweistelligem Vorsprung. Clinton liegt bisweilen gleichauf mit Trump. Das Argument des Clinton-Teams, Hillary müsste demokratische Nominierte werden aufgrund ihrer besseren „electability“, war statistisch eine reine Erfindung.

Sanders sei auf dem Weg dahin, die tragische, vertane Chance der USA zu werden, auf demokratischen Wege das richtige zu tun und das korrupte System herauszufordern, ja zu bekämpfen. Immerhin aber könnten die auf Clinton gebuchten „Superdelegierten“ auf dem Parteikonvent, der vom 25. bis zum 28. Juli in Philadelphia stattfindet, zu Sanders wechseln: es gebe dafür einen Präzedenzfall aus dem Jahr 2008.

China.org.cn, eine im wesentlichen staatliche Website, zitiert Associated Press (AP) mit der Meldung, Clinton habe am 6. Juni hinreichend Delegierte auf dem anstehenden Parteikonvent gewonnen, um Präsidentschaftsnominierte der Demokraten zu werden. Bernie Sanders habe erklärt, er werde bis zum Parteikonvent im Rennen bleiben.

Vor Abhaltung der jeweiligen Parteikonvente sprächen sich zwar die Delegierten für einen Kandidaten aus. Sie stimmten aber erst auf den Parteikonventen tatsächlich ab, und vor diesen Abstimmungen seien die Präsidentschaftsbewerber in beiden Parteien nicht offiziell nominiert.

Chinas Militärreform: 300.000 Soldaten sollen Jobs in Zivilwirtschaft finden

In Beijing fand am Dienstag eine Sitzung zum Thema der Eingliederung früherer Miltärs in neue Jobs statt, meldet Xinhua. Auf der Sitzung wurde eine Rede des KP-Generalsekretärs, Staatsvorsitzenden und Vorsitzenden der Militärkommissionen Xi Jinping zur Vertiefung der Unterbringung von Militärangehörigen in zivilen Jobs im Rahmen der Militärreform verlesen und dann studiert. Die „wichtige Rede“ (jede Rede des Generalsekretärs ist wichtig) hatte Xi Jinping laut Xinhua einige Zeit zuvor bei einer Sitzung der Ständigen Mitglieder des Politbüros des ZK der KP Chinas gehalten.

Der Abbau von  300,000 Armeeangehörigen ist Teil eines militärischen Modernisierungsprojekts. Staatsbetriebe – nach wie vor ein wichtiger Faktor in der chinesischen Wirtschaft – sollen fünf Prozent freier Jobs für entlassene Veteranen reservieren, schrieb im Januar der „Economist“.

Aus der Xinhua-Meldung:

Xi Jinping hob hervor, die aus dem Militär umbesetzten Kader sind wertvolle Aktivposten von Partei und Staat, und eine wichtige Kraft im Aufbau des Sozialismus mit chinesischen Besonderheiten. Die Umbesetzungen [vom Militär in die Zivilwirtschaft] ist ein wichtiger Wendepunkt im Leben der demobilisierten Kader. Sie müssen gut eingesetzt werden, nutzbringend eingesetzt werden, und weiterhin ihre Rolle spielen. Hierbei ist ernsthaft Disziplin zu üben, und aus keinem Grund darf die Aufnahme von demobilisierten Kadern verweigert werden, so dass die Verordnungen aus der Zentrale störungsfrei durchgeführt werden können.

Wir sind eine Marktwirtschaft, sonst …

Entweder, Xi Jinping macht gerade viele schön-leere Worte um Ex-Militärkader, die sich jetzt um sich selber kümmern müssen, oder er bringt wirklich jeden in einem Staatsbetrieb unter, der anderswo keine zivile Beschäftigung findet.

Im zweiten Falle stünde Angela Merkel bei ihrem anstehenden China-Besuch vor keiner so schwierigen Aufgabe – jedenfalls nicht argumentativ.

Aber um Argumente geht es nicht, wenn China „von der EU als Marktwirtschaft eingestuft“ wird. (In Brüssel stuft man keineswegs nur Bananen ein – hat noch jemand Zweifel daran, dass die EU wichtig ist?)

Es geht um Handelskrieg oder Handelsfrieden. Wenn Sigmar Gabriel von Frieden spricht, meint er aber keinen prinzipienlosen Frieden.

Merkel muss also eine gemeinsame Lösung finden.

 

 

UPDATE (12:19 Uhr) by Auerbach

+++ Échauffements in Kürze +++

WIESBADEN. Die FR verfolgt die Widersprüche und Einzelheiten der Befragung des ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten Andreas Temme im NSU-Untersuchungsausschuss Hessen. Temme gilt als eine der Schlüsselfiguren der NSU-Affäre, war er doch während des Mordes an Halit Yozgat „zufällig privat“ am Tatort, im Café in Kassel.

In NSU-Untersuchungsausschuss Hessen – CDU-Kreis im Verfassungsschutz berichtet die FR, Temme war beim »CDU-Arbeitskreis« mit anderen Verfassungschützern zum Grillen, stand also der CDU irgendwie nah. CDU und Verfassungsschutz sehen darin allerdings keine Besonderheit, laut Verfassungsschutz werden auch »keine parteinahen Arbeitskreise unterhalten.« +++ »Klingt komisch, ist aber so«, kommentiert Hanning Voigts auf Twitter.

Hermann Schaus, Ausschuss-Obmann der Linken äußert jedoch einen Verdacht. »Es wird uns beschäftigen, ob die Nähe von Temme zu diesen Herren Einfluss auf das Ermittlungs- und Disziplinarverfahren gegen ihn hatte«, sagt er. Das Disziplinarverfahren gegen Temme war eingestellt worden, obwohl er sich gar nicht in dem Internetcafé hätte aufhalten dürfen und sich danach wochenlang nicht bei der Polizei offenbart hatte. Hanning Voigts, Pitt von Bebenburg, FR

  • Eine Zusammenfassung der Befragung in der Frankfurter Rundschau, 07.062016.
  • Die Befragung Temmes – samt Live-Kommentaren – im NSUAU_Hessen eigenen Twitterfeed https://twitter.com/nsuwatch_hessen oder bei Hanning Voigts (FR) @hanvoi .
  • NSU-Ausschuss Hessen: Nächster Termin am 1. Juli, Befragung der Ehefrau Andreas Temmes, sowie Polizisten des Staatsschutz, Kassel. Die Sitzungen sind öffentlich.

World Oceans Day

+++ Heute, am 8. Juni 2016, waschen ozeanische Themen auf die Bildschirme. Es ist WORLD OCEANS DAY. +++ Unglaubliche 70% des Sauerstoffs, den wir atmen, kommen aus den Ozeanen. Nur 10 der reichsten Länder der Erde fangen 63% der Fischfangquote. Seit 5 Jahren vergiftet Fukushima den Pazifik mit Radioaktivität. +++ Wir sollten Hochseefischerei verbieten und uns alle mehr um die Ozeane kümmern. +++

Es gibt eine offizielle Webseite http://www.worldoceansday.org/; oder #WorldOceansDay auf Twitter

WATERBOYS  This Is The Sea

Morning Roundup: Drei Jahre Snowden Leaks

Ex-Machthaber, drei Jahre später: es war nicht alles schlecht

Im Juni 2013 erhob die amerikanische Bundesanwaltschaft Anklage gegen Edward Snowden, aufgrund drei von ihr wahrgenommener Straftaten. Das US-Justizministerium versuchte seinerzeit, Hong Kong zu einer Auslieferung zu bewegen. Das misslang: kurz darauf befand sich Sowden auf dem Weg nach Moskau.Die Wut in Amerika war groß; nicht zuletzt unter Liberalen und Linksliberalen.

Mittlerweile sieht Eric Holder, seinerzeit Justizminister, das etwas entspannter:

I think that he actually performed a public service by raising the debate that we engaged in and by the changes that we made,

zitiert ihn Jack Goldsmith, ein Harvardprofessor für Jura, und erklärt, warum er glaubt, dass Holder das jetzt richtig sieht:

Forced transparency meant that the intelligence community had to justify itself before the American people for the first time ever—about what it did in the domestic arena and abroad, about the legality of and accountability for its actions, and about its importance to U.S. national security.

Das Deprimierende dabei: die Komplimente an Snowden ist vergiftet. Wenn Edward Snowden sich so große Verdienste erworben hat: wie wär’s dann mit einer Begnadigung?

Die Botschaft lautet einstweilen offenbar anders: danke, nützlicher Idiot, und wir machen weiter. Die Öffentlichkeit vertraut uns.

Positiver (als der Verfasser dieser Zeilen) sieht es „Common Dreams“:

The Snowden leaks caused a sea change in the policy landscape related to surveillance. EFF worked with dozens of coalition partners across the political spectrum to pass the USA Freedom Act, the first piece of legislation to rein in NSA spying in over thirty years—a bill that would have been unthinkable without the Snowden leaks. They also set the stage for a major showdown in Congress over Section 702 of the FISA Amendments Act, the controversial section of law set to expire in 2017 that the government claims authorizes much of the NSA’s Internet surveillance.

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Sofortbild

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Bögeholz: Die Linke kann keine Ökonomie

Hartwig Bögeholz, regelmäßiger Autor bei „Telepolis“, erklärte am Montag, warum ‚Linke‘ an der Ökononomie zu scheitern pflegen:

Denn wer immer wie immer eine Ökonomie zu beeinflussen sucht, hantiert mit dem Lebensunterhalt aller – und nicht eben einzig mit dem Geschäft der Kapitalisten und Konzerne. Wer das Grundmuster aus der politischen Arena in die Arena der Ökonomie überträgt, hat schon verloren – selbst wenn die betreffende politische Kraft von Regierungsverantwortung noch weit entfernt ist. Denn die Perspektive wird dann auf das verengt, was „Linken“ am leichtesten fällt: Auf die Umverteilung eines Wohlstandes, der als gegeben vorausgesetzt wird, um dessen Erzeugung man sich nicht kümmern muss, weil er ja fortlaufend von Anderen erzeugt wird. (Willkommener Nebeneffekt: Weil er von Anderen erzeugt wird, kann man bei allfälligen Problemen immer diesen Anderen Verantwortung in die Schuhe schieben.)

Nicht einmal „wirtschaftsnahe“ konservative Parteien seien noch „auf der Höhe“, wenn es um eine ungefähre Vorstellung der Gesamtgesellschaft gehe – samt ihrer Ökonomie.

Begriffen habe es lediglich die Kanzlerin, so Bögeholz. sie habe die Fukushima-Katastrophe als Gelegenheit genommen, eine notwendige tiefgreifende ökologische Erneuerung über die Schlüsselrolle der Energie einzuleiten, anstatt den strapaziösen, zeitaufwendigen und nur mäßig erfolgversprechenden Weg der Diskussionen und Verhandlungen mit unzähligen Wirtschaftsverbänden zu gehen:

Warum nur vermögen „Linke“ nicht auf diesen Ebenen, in diesen Kategorien zu denken?

Konjunktur in Argentinien

Dem argentinischen Wirtschaftskabinett geht es gut, und auch die frühere Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner dürfte wenig Grund zum Meckern haben. Grober Wechselkurs: für etwas weniger als 16 argentinische Pesos erhält man zur Zeit etwa einen Euro. Diese Angaben sind ohne Gewähr.

Zwanzigstellige Wachstumsraten sind für die Bevölkerung hingegen einstweilen nicht in Sicht. Argentiniens Vizepräsidentin Gabriela Michetti erklärte, 2016 sei kein Wachstum zu erwarten, aber die Erholung werde 2017 kommen.

Ratifikation, pronto

Amerika ist kein Weltmeister in der Unterzeichnung internationaler Abkommen. Aber bei der Law of the Sea Convention (UNCLOS), oder dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, könnte es für Washington Sinn ergeben:

Wenn wir, zum Beispiel, wirklich besorgt über Chinas Handlungen im Südchinesischen Meer sind, sollte der Senat unsere Sache stärken, indem er dem Seerechtsübereinkommen zustimmt,

erklärte US-Präsident Obama am 2. Juni in Colorado laut „Japan Times“. Er machte seine Bemerkungen vier Tage vor Eröffnung zweier regelmäßige amerikanisch-chinesischer Foren, und einen Tag vor Beginn des 15. Asia Security Summit, oder kurz: Shangri-La.

Lebendigkeit der Namen

Normalerweise parlieren die Weinbeeren. Mais pas aujourhd’hui, Joséphine. Doimlinque hält ein Referat. Und dann ist es auch noch abgeschrieben.

 

UPDATE (11:45 Uhr) by Auerbach

+++ Échauffements in Kürze +++

WIESBADEN. Gestern tagte der hessische NSU-Untersuchungsausschuss. Befragt wurde mit Andreas Temme, einem ehemaligen Verfassungsschutz-Beamten, eine Schlüsselfigur der NSU-Affäre. Während des Mordes an Halit Yozgat war er „zufällig privat“ am Tatort im Café in Kassel, will aber dennoch „nichts bemerkt“ haben.

Eine Zusammenfassung der Befragung heute in der Frankfurter Rundschau.

„Im Ausschuss blieb der ehemalige Verfassungsschützer bei seiner Aussage, aus rein privaten Gründen im Internetcafé gewesen zu sein und den Mord nicht bemerkt zu haben. Er habe weder Schüsse gehört noch eine Leiche gesehen, beteuerte Temme.“ (FR, 7.6.2016)

Die Befragung Temmes – samt Live-Kommentaren – im NSUAU_Hessen eigenen Twitterfeed https://twitter.com/nsuwatch_hessen oder bei Hanning Voigts (FR) @hanvoi .

 

+++ PRAKTIKUM +++ in Berlin: Juli und August. In der Krautreporter-Redaktion.

Krautreporter: »Falls ihr also jemanden kennt, der etwas journalistische Erfahrung mitbringt und zu uns passt: Wir freuen uns über Bewerbungen per Mail (kontakt@krautreporter.de).«

 

+++ Das Schönste zuletzt: John Oliver vernichtet 15 Millionen Dollar Schulden.
Er verbindet Humor gern mit Gesellschaftskritik“, so Spiegel Online.

David Graeber zu dieser zeitgemäßen, irgendwie längst überfälligen Aktion: »Everyone should do it.«

„Last Week Tonight spent about $50 to create a debt-acquisition company in Mississippi. The corporation’s name is Central Asset Recovery Professionals Inc – also known as Carp. According to Oliver, soon after its creation, Carp was offered a portfolio of medical debt worth $14,922,261.76 at a cost of “less than half a cent on a dollar, which is less than $60,000.” (US Guardian, 6.6.2016)

“Debt-buying is a grimy business and badly needs more oversight, because as it stands any idiot can get into it. And I can prove that to you because I am an idiot and we started a debt-buying company. And it was disturbingly easy.” John Oliver on Last Week Tonight .